Eine verrückte Geschichte, unglaublich, aber wahr. Es begann vor bald 20 Jahren. Nicht nur das ist ein Grund, hier einmal darüber zu berichten.
Die Gemeinde Deitingen ist allem Anschein nach ein fruchtbarer Boden für kreative Aktivitäten. Man denke nur an die langen Traditionen der berühmten Fasnachtsdekorationen und die der alljährlichen Gestaltung der Weihnachtskrippe in der Kirche, oder an die langjährige Arbeit des Kulturvereins, oder die Arbeit in den verschiedenen Vereinen. Die seltene Spezies der Heinzelmännchen und -frauchen gedeiht hier wohl ganz besonders gut!
In Deitingen hat sich seit bald zwanzig Jahren eine weitere, ganz besondere Tradition entwickelt, nämlich die immer wieder neue Bildung und Formierung von freiwilligen Helfergruppen, beziehungsweise von Bühnenbauteams, welche sich mit viel Leidenschaft, Begeisterung und Freude am gemeinsamen Erarbeiten und Realisieren einer Idee für verschiedenste Theaterprojekte und Installationen, sowie Beiträge für Ausstellungen und Festumzüge engagieren liessen und lassen. Die Liste ist unterdessen lang undvielfältig. Es handelte sich immer um grosse Herausforderungen, für die die Helferinnen und Helfer ihren Erfindergeist, ihr Wissen und Können einbringen mussten und wollten, um die Entwürfe des Bühnenbildners Oskar Fluri realisieren zu können.
Musical-Projekte Deitingen
Die Geschichte dieser Zusammenarbeit nahm ihren Anfang mit den beiden Deitinger Musicals «Justina Dolores» und «Die Grüne Fee» von Franz Walter und Dülü Dubach, aufgeführt im Jahr 2006 bzw. 2013 unter der Regie von Christoph Schwager und Thomas Dietrich. Die Projekte leitete Armin Rösch. Helfer und Bauleute konstruierten und errichteten damals die riesigen Bühnenaufbauten, in beinahe Echtgrösse, auch mit Hilfe von Kränen. Sie setzten die Modelle und Pläne von Oskar Fluri in die Realität um: für die Spielstätte «Kiesgrube» eine Steinbreche, uminterpretiert zur mittelalterlichen Burg. Für die Spielstätte «im Möösli» das Hotel «Quellenbad» am Waldrand, eine mächtige mehrteilige Holzkonstruktion auf Rollen.
Umzüge und Ausstellungen
Aufgrund dieser Erlebnisse und Erfahrungen liessen sich einige Mithelfer auch für andere Grossprojekte begeistern. Verschieden zusammengesetzte Teams dieser ursprünglichen Bühnenbaucrew gestalteten zu dieser Zeit auch den Umzugsauftritt des Kantons Solothurn als Gastkanton am Sechseläuten Zürich 2008, 2013 baute eine Teilgruppe der Deitinger Bühnenbauer (mit Zugewandten) die Installationen für den Umzugsauftritt des Kantons an der Olma in St. Gallen und richtete dort vor Ort auch die Umzugswagen ein.
2010 übernahmen einzelne Bühnenbauer einen sehr anspruchsvollen Auftrag des Naturmuseums Solothurn für eine Sonderausstellung zum Thema «Fisch». Ein fantastischer Fisch mit begehbarem Innenleben (Märchenhörstation), demontierbar und transportierbar war die nicht ganz einfache Aufgabe. Mitglieder des Teams begleiteten den Fisch dann über zwei Jahre während der Wanderausstellung in verschiedene Museen der Schweiz. Sie waren zuständig für den Auf- und Abbau.
Am Aufbau der Bilderinstallation «rouge vif» in der Rythalle Solothurn 2021 war ebenfalls ein Team beteiligt.
Eine Bühneninstallation im Zirkuszelt
Eine besondere Herausforderung war das Bühnenbild zu«Anastasia», eine Produktion der «Oberländer Märlibühni» in einem Zirkuszelt in der Schadau bei Thun: ein acht Meter hoher Märchenbaum und Bilder auf verschieden kombinierbaren Bühnen auf Schienen. Die Bühnenanlage wurde vom Team in Thun selber realisiert (unvergesslich, wie Guido Kofmel als«Baumkletterer-Akrobat» bis unters Zirkusdach hinaufturnte…).
Installationen in der Kirche Deitingen
Die Deitinger Bühnenbaugruppe in der aktuellen Zusammensetzung half auch mit, die Neugestaltung der Krippe in der Kirche Deitingen zu realisieren und einzurichten (Umgestaltung der ehemaligen Anlage, das Werk von Ferdi Kofmel), auf Initiative der Sakristanin Irene Zuber und mit der tatkräftigen Unterstützung (auch kulinarisch!) einzelner Mitgliederinnen des Kirchenrates.
Auch recht aufwändig waren die Arbeiten für die Kreuzesgruppe für Karfreitag und Ostern. Viktor Flury und Guido Kofmel bauten diese nach dem Entwurf von Oskar Fluri. Der Passionsesel für die Installation am Palmsonntag wurde von Reto Hartmann ursprünglich für die Produktion «viva la mamma« in Selzach gebaut, als Bühnenzitat aus der Selzacher Passion.
Bühnenbilder der Sommeroper im Passionsspielhaus Selzach
Seit 2012 war die Bühnenbaucrew von Deitingen für die Realisation der Bühnenbilder zu den Produktionen der Sommeroper Selzach zuständig oder mitverantwortlich:
Donizetti: «viva la mamma» 2008, Offenbach: «Hoffmanns Erzählungen» 2012, Gounod: «Faust» 2014, Donizetti: «L’elissir d’amore» 2016, Wagner: «Der Fliegende Holländer» 2020, Verdi: «Don Carlos» (abgebrochen), Musical «Der Mann von La Mancha» 2022 und aktuell Bizet: «Carmen». Die Zusammensetzung der jeweiligen Teams veränderte sich immer wieder etwas, altershalber, oder weil neue Helfer dazu kamen. Leider nicht mehr dabei sind Reto Hartmann (Werkstattleiter), Manfred Lischer, Harald Meyer, Albert Reinhard, Rolf Roth (Bolken).
Die Bühnenbauer von Deitingen sind im Moment am Bauen des Bühnenbildes zur Oper «CARMEN» von Georges Bizet, welche am 2. August 2024 im Passionsspielhaus Selzach Premiere haben wird. Die Teile zum Bühnenbild entstehen nicht mehr wie bis vor Kurzem im Atelier in der ehemaligen Frauenanstalt im Schachen, sondern in einer Werkstatt in Selzach. Neben der Deitinger Gruppe arbeiten auch andere Helfer und Helferinnen an der Bühnenausstattung. Insgesamt sind es 24 Personen. Der bisher geleistete Arbeitsaufwand in der Werkstatt für das Projekt CARMEN beläuft sich auf weit über 4’000 Stunden nur Ausführungsarbeit, wobei die Deitinger Gruppe den Löwenanteil meistert. Alles Freiwilligenarbeit, wohlverstanden. Die Mitglieder des aktuellen Deitinger Teams sind: Peter Brechbühl, Heinz Dubach, Guido Kofmel, Silvano Grolimund, Viktor Flury sowie Ulrich Baumgartner (Bolken) und Anton Meyer (Solothurn).
Unglaublich, was diese Deitinger Bühnenbildbauer schon alles verwirklicht haben!
Es ist wunderbar, dass es in Deitingen noch solche Menschen gibt, eben etwas «ver-rückte» Wesen dieser seltenen Sorte «Heinzelmännchen»!
Text von Oskar Fluri