Interview mit „Käser-Fritz“ – Fritz Plüss (97), Biberist, Sohn des letzten Deitinger Käsers
Lieber Fritz, als Sohn des letzten aktiven Deitinger Käsers Walter Plüss bist Du in Deitingen noch als „Käser Fritz“ bekannt. Wirst Du immer noch so genannt?
Ja, natürlich! In Deitingen kennen mich die Leute nicht anders.
Welche Kontakte pflegst Du noch zu Deitingen?
Meinen letzten guten und regelmässigen Kontakt pflegte ich mit Max und Lea Keller. Heute besuche ich vor allem noch ihren Schwiegersohn Roger Bürgy.
Dein Vater Walter Plüss „käste“von 1927-1962 in Deitingen. Wie ist Deine Familie aus dem Aargau nach Deitingen gekommen?
Die Milchgenossenschaft Deitingen suchte einen neuen Käser. Es bewarben sich 32 Käser um den Job. Mein Vater wurde gewählt, weil er den Deitinger Landwirten den besten Milchpreis bot.
Wurde Deitingen damals schon Chäswil genannt?
Ja, Deitingen war weitherum bekannt für guten Käse! Und wir wurden als Stellbuben auch Chäsbuben genannt. Mein Vater erhielt für seine herausragende Käsequalität 1939 an der Landesausstellung in Luzern den „Landi-Preis.“
Wie viele Bauern brachten damals ihre Milch in die Chäsi? Weisst Du noch wie viele Liter etwa und wie hoch lag der damalige Milchpreis?
1953 waren es noch 44 Landwirte in Deitingen, die uns ihre Milch brachten. Darunter waren auch etwa 4 so genannte „Kesseli-Bauern“, die täglich je nur 4-5 Liter brachten. Insgesamt wurden täglich rund 7‘000 Liter gebracht. Die Sommermilch gab 24 Rappen per 2 Kilogramm, die Wintermilch 22 Rappen.
Weisst Du auch noch wie viel Käse (Anzahl oder Kilogramm) Dein Vater produzierte und welche Sorten?
Mein Vater produzierte im Herbst-Winter 2 Käse à ca. 75 Kilogramm pro Tag. Im Frühling-Sommer waren es täglich 3 Käse à 60-75 Kilogramm. 90 % waren Emmentaler, der Rest Tilsiter und Greyerzer.
Die einzelnen Käse mussten gehegt und gepflegt werden. Wie ist das abgelaufen? Worauf wurde besonders Wert gelegt, damit die Qualität stimmte?
Mein Vater hatte zwei Salzer angestellt, die die Käse den ganzen Tag umgedreht, abgeschabt, geputzt und mit Salz eingerieben hatten. Saubere Milch war das Wichtigste für eine gute Qualität. Darauf legte mein Vater sehr grossen Wert.
Wo und wie wurde der Käse verkauft? Wer waren die grössten Abnehmer?
Damals gab es noch keinen Käsi-Laden. Für die Bauern galt eine Pflichtabnahme in Prozenten zur gelieferten Milch. Hauptabnehmer war Käsehändler Lütolf aus Nebikon, daneben wegen der guten Qualität auch Käsereien aus Nachbargemeinden.
Nach der Familie Plüss kam 1962 die Familie Roos, allerdings nur für ein Jahr. 1963 übernahm die Familie Dubach, die 1972 von Felbers abgelöst wurden. Ab 1987 wurde der Betrieb durch die Blatters geführt. Es gab nach Käser Plüss also einige Wechsel und 1991 erfolgte der grosse Umbau mit Laden und Milchannahme. Worauf führst Du diese vielen Wechsel und diesen Wandel zurück?
Mein Vater wurde 1962 pensioniert. Obwohl es weit und breit die grösste Käsi war, wurde sie halt irgendwann doch zu klein um weiter existieren zu können. Und da Deitingen eine Silozone wurde, gab es keine Winterproduktion mehr.
Die Milchgenossenschaft Deitingen feierte ja im Jahr 2002 ihr 150jähriges Jubiläum mit dem Singspiel „So ne Chäs“ von Franz Walter in der Wässermatten und einer Feier in der Zweienhalle. Wie ist Dir dieses Jubiläum in Erinnerung geblieben?
Ich erinnere mich noch sehr gut an diese sehr schöne Jubiläumsfeier. Aufgrund meiner intensiven Arbeit in der Papieri Biberist bekam ich davon leider nicht allzu viel mit.
Du selbst hast als Maschineningenieur einen anderen Berufsweg eingeschlagen und warst lange Jahre in leitender Funktion bei der Papieri in Biberist tätig. Was hast Du dort gemacht und weshalb hast Du die Chäsi Deines Vaters nicht übernommen?
Ich hatte ein absolutes Mechaniker-Faible. Ich arbeitete zuerst in der Papieri Utzenstorf als Betriebsassistent und fand dort den Weg in die Mess- und Regeltechnik. Aufgrund meiner erworbenen Kenntnisse wurde ich nach ein paar Jahren vom Biberister Direktor in die Papieri Biberist geholt. Dort trieb ich die Automatisierung stark voran und wurde als Schweizer „Regel-Papst“ bezeichnet. Dazu war ich Gewerbeschullehrer und erarbeitete Lehrmittel für Papiertechnologen. Ich war auch für das Projekt Bibernova, die Erstellung der neuen Papiermaschine P9 mit einem Budget von 32 Millionen Franken zuständig. 1992, als die Papieri noch im „Hoch“ war, wurde ich pensioniert. Der Niedergang ab 2006 tat mir trotzdem sehr weh. Meine beiden Brüder wurden aber beide Käser. Der eine in Neuenhof und der andere am Bodensee.
Hast Du noch eine Anekdote zur Chäsi Deitingen?
Meine Eltern arbeiteten sehr hart und hatten eigentlich nie Ferien. Als sie sich trotzdem einmal einen freien Tag gegönnt hatten, übernahm ich mit einem Kollegen die Käseproduktion. Leider vergassen wir den „Järb“ (Holzring um den Käse), wodurch ein sehr unförmiger Käsefladen entstanden ist.
Lieber Fritz, wir danken Dir herzlich für den sehr netten Empfang und das spannende Gespräch rund um die Deitinger Chäsi!
Mit Käser Fritz sprachen Roger Bürgy und Bruno Eberhard