Verabschiedung Pfarrer Beat Kaufmann

28
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May
2024

Beat Kaufmann – ein Interview der etwas anderen Art zum Abschied

Unser Dorfpfarrer zieht nach 14 Jahren weiter. Deitingen schätzte ihn als Priester und Seelsorger und bedankt sich bei ihm für sein grosses Engagement. Stellvertretend für die Gemeinde stellen ihm drei Gemeinderäte der Kirchgemeinde, der Bürger- und der Einwohnergemeinde je drei Fragen.

FRAGEN DES KIRCHGEMEINDERATES

Gibt es ein besonderes Erlebnis (oder mehrere) in unserer Pfarrei, welche dir in besonders guter Erinnerung bleiben werden? Was hat dir in unserer Pfarrei am besten gefallen?

In Erinnerung wird mir die Offenheit bleiben, das Wohlwollen, die Kreativität von engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Leben der Kirche hier in Deitingen. Ich bin dankbar, dass meine Sichtweise und meine Arbeitsweise mit Offenheit und Wohlwollen begleitet wurden. Es geht um die Sichtweise, dass eine Pfarrei die kleine Zelle «im Leib Christi der Kirche» ist (vgl. 1 Korinther, Kapitel 12). Und dass die Pfarrei zur Ortskirche des Bistums Basel gehört, eingebettet in die weltweite Kirche. Christ-Sein und Kirche-Sein gehören zusammen. Das ist biblisch und lässt sich nicht trennen.

Ein schönes Ereignis war das Jubiläumsfest 775 Jahre Deitingen. Ich erlebte das grosse Dorffest zusätzlich mit viel Freude, weil sich der Kirchgemeinde- und der Pfarreirat ideenreich beteiligten. Es war ein Fest und Ereignis neben so vielen anderen einmaligen Ereignissen von Taufen bis Beerdigungen, weil jeder Mensch einmalig ist. Aber die Kirche versteht den einzelnen Menschen auch als eingebettet in etwas Grösseres, dem wir Kirche (≈«Zusammengerufene») sagen. Dass sich in der Deitinger Pfarrei und Kirchgemeinde eine ganze Reihe von Leuten einsetzen, ist ganz erfreulich.

Mit welchen Gefühlen nimmst du Abschied und was wird anders sein als in Deitingen? Was machst du nach dem 31. Mai?

Obwohl das Gefühl da ist, mitten aus seelsorgerischer Arbeit einen Wechsel vornehmen zu müssen, von dem ich dachte, er würde erst in paar Jahren sein, so ist doch andererseits das Gefühl einer Ganzheit da. Zweimal sieben Jahre sind in biblischer Sicht eine ordentliche Ganzheit. Es war immer meine Überzeugung, als Seelsorger, als Diakon, als Priester im Dienst der Kirche beweglich zu sein. Nachdem das Personalamt mir aufzeigte, dass es zwei Pastoralräume gebe, in denen ein schon etwas erfahrener Priester benötigt werde und ich unterdessen noch nicht zu alt sei, um einen Wechsel vorzunehmen, habe ich schliesslich Ja gesagt. So werde ich also ab Bettag 2024 in den beiden Pastoralräumen «Luzerner Hinterland» (Pfarreien Grossdietwil, Zell, Ufhusen, Luthern/Luthern-Bad) und «Rottal» (Pfarreien Ettiswil, Grosswangen, Buttisholz) tätig sein. Wohnen werde ich im Pfarrhaus Ufhusen. Die Züglete steht Ende Juli, Anfang August an. Die Monate Juni und Juli möchte ich benutzen, um besonders einige Wallfahrtsorte zu besuchen, z. B. Lisieux (Wirkungsort der HeiligenTheres) und Mont-Saint-Michel in der Normandie, auch im Gedenken der beiden Weltkriege mit so vielen Opfern. Ein alter Wunsch ist, Schio in Venetien zu besuchen, wo die erste afrikanische Ordensfrau gelebt hat, die heiligeJosephine Margarethe Bakitha. Ihr liturgischer Gedenktag ist jeweils an meinem Geburtstag. Im Blick auf ihr Schicksal als ehemalige Sklavin ist ihr Gedenktag seit ein paar Jahren «Internationaler Tag des Gebetes und der Reflexion gegen Menschenhandel».

Was wünschst du deinem Nachfolger, Kaplan Thomas? Und was wünschst du der Pfarrei Deitingen?

Kaplan Anoop Thomas aus Indien wünsche ich, was ich empfunden habe: Ich fühlte mich hier sofort daheim. Sein Vorname ist eigentlich Anoop, aber in Indien nennen ihn viele Thomas. Er spricht schon recht ordentlich Deutsch, aber er wird erstmals in Europa sein. Kirche ist auch weltweite Heimat. So wird er hoffentlich auch hier ein Stück Heimat finden. Er kommt in ein gut funktionierendes Seelsorgeteam im Pastoralraum. Und hier in Deitingen ist meines Erachtens ein gutes Umfeld, wo er nach meinem Umzug im Pfarrhaus wohnen wird. Die ersten Monate wird er in einer 1-Zimmer-Wohnung im Haus der Kirchgemeinde in Zuchwil wohnen, wo auch Pfarrer Pascal Eng wohnt, was sicherlich die erste Einführung in die Arbeit im Pastoralraum erleichtert.

Es gibt eine Änderung in der Leitungsstruktur: Pastoralraumpfarrer Pascal Eng wird Leiter aller sechs Pfarreien. Kaplan Thomas wird Ansprechperson für Deitingen.

Der Pfarrei und Kirchgemeinde Deitingen, allen, die sich zugehörig fühlen, wünsche ich, dass sie immer wieder neu die Schönheit des christlichen Glaubens entdecken. Darum wünsche ich, dass es der Pfarrei und Kirchgemeinde gelingt, den Glauben so zu thematisieren, zu leben, zu feiern, dass es eine Hilfe für die Menschen ist. Der französische Bischof Jacques Gaillot hat es so formuliert: «Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts.»

 

FRAGEN DES BÜRGERRATES

Was kommt dir spontan in den Sinn, wenn du «Bürgergemeinde Deitingen» hörst und welche Erinnerungen verbindest du mit ihr?

Der schöne und weite Begriff «Heimat» kommt mir in den Sinn. Und Zugehörigkeit. In schöner Erinnerung sind mir die Waldgänge der Bürgergemeinde. Den ersten Waldgang habe ich gleich nach meiner Ankunft in Deitingen 2010 erlebt. Diese Anlässe waren immer eine schöne Gelegenheit zu guten Begegnungen und Gesprächen und sie waren immer ganz informativ bezüglich Waldpflege und Nutzung sowie rund um die Kiesgewinnung und die eindrücklichen Renaturierungsschritte der «wandernden» Kiesgrube. Natürlich auch in bester Erinnerung sind mir die Seniorenfahrten. Etwas, das ich in meiner alten Heimat nicht kannte. Ein schönes und wertvolles Angebot für die Betagten!

Angesichts deiner langjährigen Verbundenheit mit unserer Gemeinde und deiner Besuche im Wald: Welche besonderen  spirituellen oder emotionalen  Erfahrungen hast du im Zusammenhang mit dem Wald in  Deitingen gemacht?

Im Wald kann ich wunderbar Rosenkranz beten. Manchmal einfach stehen bleiben, durchschnaufen, staunen, hören. Ein paar Mal konnte ich Rehe beobachten. Als etwas Schönes erlebe ich ab und zu ein Stillstehen an einem Waldrand während der Dämmerung am Abend. Plötzlich beginnt es da und dort zu rascheln. Die Tiere der Nacht werden langsam aktiv. Der tagsüber stille Wald «zeigt» dann akustisch, dass er voller Lebewesen ist.

Eine schöne Erinnerung ist eine spätnächtliche Heimkehr mit einer ansehnlichen Gruppe durch den stockdunklen Wald nach einem gemütlichen Abend des Kirchenchores im Restaurant Leuenberger in Wangenried. Angesichts der kräftigen Stimmen gingen die Tiere wohl auf sichere Distanz, nur auf der Baschistrasse hielt kurz ein Fuchs Ausschau, wohl überrascht ob den Nachtschwärmern.

Wie nimmt man als Nicht-Bürger die Bürgergemeinde Deitingen wahr?

Die Bürgergemeinde nehme ich besonders wahr im Zusammenhang mit der Natur. Der Begriff Ökumene meint ursprünglich «bewohnte Erde». Im bedenkenswerten Schreiben «Laudato si» von Papst Franziskus spricht er im Blick auf die Schöpfung und die Erde vom «gemeinsamen Haus», zu dem es Sorge zu tragen gilt.

Ich habe die Bürgergemeinde auch wahrgenommen als Spenderin zu Gunsten der Öffentlichkeit und der Kirchgemeinde, zum Beispiel der beiden historischen Kirchenfenster «Maria in Lourdes» und «Josef», welche 2012 wieder im Chor der Pfarrkirche eingesetzt wurden, nachdem sie Jahrzehnte im Pfarrhausschopf eingelagert waren. Ich meine festgestellt zu haben, dass die Dreiheit Bürger-, Einwohner- und Kirchgemeinde in Deitingen eine gute Dynamik hat und der Kontakt zwischen den drei Gemeinden gepflegt wird.

FRAGEN DES GEMEINDERATES

Wenn du eine Botschaft per Flaschenpost in die Oesch werfen könntest, was würdest du darin schreiben?

Lieber als eine Flaschenpost würde ich eine Nachricht an alle Medienmachenden und -konsumierenden senden. Etwa so: Danke, dass ich für ein Interview angefragt wurde und mich als Katholik, Seelsorger und Pfarrer äussern kann. Denn die Kirche in unserem Land hatte seit der Veröffentlichung einer Missbrauchsstudie eine «schlechte Presse». Ich bin dankbar ob der Freiheit unserer Medien. Aber ich ärgerte mich noch und noch ob den vielfach undifferenzierten, überhitzten Medienbeiträgen in der Folge der von der katholischen Kirche selbst dem Historischen Institut der Universität Zürich in Auftrag gegebenen Untersuchung über Missbräuche in den Schweizer Diozesen seit 1950. In der Pfarrei Deitingen war meines Wissens in den 50er-Jahren ein Fall. Es ist klar, das ist ein Fall zu viel. Der betreffende Vikar hatte Konsequenzen zu tragen. Als Folge der Ergebnisse der Studie hat sich der seit Jahren ansteigende Trend von Kirchenaustritten beschleunigt. Ich bedaure jeden Kirchenaustritt. Die Kirche ermöglicht so viel Gutes, abgesehen davon, dass es ihre Aufgabe ist, «den Glauben ins Spiel zu bringen», Gott zu thematisieren und zu feiern, Christus zu verkünden. In der individualisierten Gesellschaft hat die Einzelseelsorge stark zugenommen. Es gibt vermehrt Menschen, die Sorge haben und sich an eine Seelsorgerin oder an einen Seelsorger wenden. Bezüglich Kirchensteuern ist es gut zu wissen, dass 95 Prozent in der Kirchgemeinde und Pfarrei eingesetzt wird, in der man wohnt. Fünf Prozent geht an die kantonale Synode, um zum Beispiel kirchliche Arbeitsstellen und die Caritas zu ermöglichen. Aus der Kirche auszutreten, finde ich letztlich destruktiv. Wenn ich an die manchmal geladene Stimmung bezüglich der staatlichen Coronamassnahmen denke, kommt mir ein alter Ausspruch des damaligen Bischofs Kurt Koch in den Sinn, der einmal sagte, wenn es so leicht wäre, aus dem Staat auszutreten, wie aus der Kirche, würden dies wohl einige tun, besonders wegen den Steuern.

 

Welches biblische Ereignis würdest du gerne hautnah  miterleben, wenn du die Zeit zurückdrehen könntest?

Tja, ich weiss nicht so recht. Ob ich z. B. im Blick ins Neue Testament in der damaligen Zeit, an einem konkreten Ort in einer konkreten Lebenssituation bei einer Begegnung mit Jesus von Nazareth ihn als solchen, als den Christus erkannt hätte? Ob ich den Mut gehabt hätte, mich ihm anzuvertrauen, alles zu verlassen und mich mit ihm auf den Weg zu machen? Wäre ich nicht auch, wie die anderen Apostel, untergetaucht, als Jesus verhaftet und hingerichtet wurde? Hätte ich glauben können, was einige Frauen meldeten, sie seien dem Auferstandenen begegnet?

Die in der Apostelgeschichte geschilderten Missionsreisen des Paulus haben mich schon früh fasziniert. Ich erinnere mich, wie ich an einem Sonntagmorgen früh via Radio Beromünster Manfred Schradi habe aus der Apostelgeschichte vorlesen hören. Das muss eine interessante Zeit mit abenteuerlichen Situationen gewesen sein. Aber beim Schiffbruch vor Malta (Apg27) möchte ich nicht dabei gewesen sein…

Wie würdest du einem Fremden die Gemeinde Deitingen und ihre Leute beschreiben?

Deitingen ist nicht weit von Solothurn entfernt. Was der Entlebucher Carl Robert Enzmann (von Schüpheim), als damaliger Kaplan in Solothurn, im Solothurner-Lied dichtete, kann ich als Escholzmatter für Deitingen nur bekräftigen:

Dichtet vor über 100 Johr:

«Es wohnt es eigets Völkli drinn, voll Gmüet und voll Humor. Si Libsspruch isch: Wo’s gmüetli goht, do bin i ou derbi» … und s’wird hoffentlich ou witer ä so si.

 

Im Namen der drei Gemeinden danke ich dir für dieses Interview und dein langjähriges Wirken in Deitingen ganz herzlich und wünsche dir alles Gute.

Deitingen wird dich in allerbester Erinnerung behalten und freut sich auf ein Wiedersehen mit dir!

Gemeindepräsident

Bruno Eberhard

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